Die wissenschaftliche Begleitung der Einführung der App in ein Behandlungssetting.
Das Projekt Checkpoint-S
In Deutschland hat sich die Substitutionstherapie als Mittel der Wahl für die Behandlung von Opiatabhängigkeit etabliert. Im Jahr 2018 wurden rund 79.400 PatientInnen durch 2.585 ÄrztInnen substituiert. Die Substitutionsbehandlung stellt jedoch weiterhin komplexe und vielfältige Ansprüche an PatientInnen und ÄrztInnen. Um diese bewältigen zu können, brauchen Menschen in Substitution Hilfe und Unterstützung. Wir wollen mit unserem Forschungsprojekt eine digitale, genauer App-gestützte, Möglichkeit der Behandlungsbewältigung entwickeln.
Unsere Ziele
Neben der zielgruppenorientierten Entwicklung und Bereitstellung der App für die Substitutionstherapie sind die selbstgesteckten Ziele unseres Forschungsprojekts:
Behandlung
Evaluierung
Die Evaluation der Effekte der App für die Opiatsubstitution im Sinne einer Wirkungsanalyse.
Framework
Der Erarbeitung eines theoretischen Frameworks für die Behandlung andere Suchterkrankungen.
Roadmap
Dabei gliedert sich unser Forschungsprojekt im Wesentlichen in vier Arbeitsphasen, in denen jeweils zum einen empirische Daten erhoben werden und zum anderen wesentliche Entwicklungsschritte an der App abgearbeitet werden:
In dieser Phase werden mit Hilfe von Befragungen die Bedürfnisse und Wünsche von Substituierten und BehandlerInnen dahingehend erforscht, welche Themen, Inhalte und Funktionen die App bereitstellen sollte, damit sie zu einem sinnvollen Tool für die Substitutionstherapie werden kann. Ebenso sollen die spezifischen Ansprüche an Design und Funktionalität der App geklärt werden.
Unter anderem erfolgt in dieser Phase eine Statuserhebung der mitwirkenden PatientInnen hinsichtlich ihrer momentanen Lebensqualität, der Wahrnehmung von Eigenverantwortung für ihr Leben sowie ihrer Beziehung zu ihren BehandlerInnen. Diese Erhebung dient einer späteren Wirkungsanalyse als Vergleich der Situation vor und nach der Einführung der App in das Behandlungssetting. Ebenso werden in dieser Phase unterschiedliche Versionen der App durch Substituierte und BehandlerInnen getestet. Diese Usability-Tests ermöglichen, die App kontinuierlich und benutzerorientiert weiterentwickeln zu können. Auf einer Homepage stellen wir für Interessierte die jeweilige App-Version samt Feedback-Funktion zum Download bereit. Auch dieses Feedback fließt in die Fehlerkorrektur und die Weiterentwicklung der App ein.
Zentral für die Arbeiten in dieser Phase ist, dass die App nun einem sechsmonatigem Praxistest unterzogen wird. Das bedeutet, dass die PatientInnen die App im Alltag nutzen und – wenn sie dies möchten – ebenso in die Gespräche mit ihren BehandlerInnen einbeziehen. Zur gleichen Zeit werden wir zusammen mit PatientInnen einfache Tutorials zur Nutzung und zu den Funktionen der App produzieren. Für BehandlerInnen sollen Webinare dazu angeboten werden, wie sie die App im therapeutischen Kontext nutzen können. Tutorials und Webinar werden über unsere Webseite zugänglich sein.
Der Fokus der Arbeit liegt hier in einer allgemeinen Out-Come-Analyse. Auf Basis der Praxistestung der App sowie quantitativen und qualitativen Erhebungsmethoden werden wir klären, a) ob und inwiefern die App durch unsere beide Zielgruppen angenommen wird, b) welche Funktionen und Inhalte der App auf welche Weise genutzt werden sowie c) ob und inwiefern sich eine Verbesserung der Eigenverantwortungsübernahme, der Lebensqualität und des Verhältnisses zwischen Patient*in und Behandler*in feststellen lässt. In einem abschließenden Werkstattgespräch mit unseren mitwirkenden PraxispartnerInnen soll über die aktuelle Version sowie unsere empirischen Ergebnisse abschließend diskutiert werden, um anschließen die App final fertig stellen und im Playstore zum Download anbieten zu können.
Erschließung weiterer NutzerInnengruppen
Im Laufe unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wurde uns bewusst, dass unsere App nicht allein nur für Menschen in Substitutionsbehandlung geeignet ist. Sie kann ebenso ein sinnvolles Tool für unterschiedlichste DrogengebraucherInnen darstellen. Verschiedene Formen vom Substanz- und Verhaltenssabhängigkeiten sind ein gravierendes Problem in Deutschland. Laut des epidemiologischen Suchtsurvey 2018 des Instituts für Therapieforschung sind 1,6 Millionen Menschen in Deutschland alkoholabhängig. Etwa 2,3 Millionen Menschen weisen eine Medikamentenabhängigkeit auf. Nach Ansicht der ForscherInnen zeigen 600.000 Menschen einen problematischen Konsum illegaler Drogen und etwa 500.000 Menschen ein problematisches bis pathologisches Glückspielverhalten. Circa 560.000 Menschen gelten als onlineabhängig. Abhängigkeitserkrankungen sind chronische Krankheiten, die zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und einer vorzeitigen Sterblichkeit führen sowie gravierende soziale und volkswirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Checkpoint-S möchte auch DrogengebraucherInnen jenseits der Substitution sowie Menschen mit Verhaltensabhängigkeiten einen Überblick ihr Konsumverhalten ermöglichen und zu einer selbstkritischen Reflexion anregen.